Stress, Zucker und Hochsensibilität

Zucker, Stress und Hochsensibilität

Zucker und Stress sind alltägliche Wohlstandsbegleiter. Doch bei Hochsensibilität entfaltet diese Mischung besonders problematische Effekte. Warum?

Diesen Blogbeitrag verdankt ihr Barbara, die mich darum gebeten hat, ich möge die Zusammenhänge doch genauer erklären, warum Stress und Zucker für den hochsensiblen Körper eine echt brisante Mischung ist. Voilà …

 

Guter Zucker, schlechter Zucker

Um die Frage vorwegzunehmen: an Zucker ist zunächst nichts falsch. Wie jedes Nahrungsmittel hat Zucker bestimmte Wirkungen. Süße Nahrungsmittel gibt es in der Menschheitsentwicklung seit je her. Diese können lebensrettend sein, hilfreich oder schädigend … den Unterschied macht das WIE des Gebrauchs.

Die Zucker-ist-Gift-Strategie verhilft uns in jedem Fall nur zu rigider Selbstkasteiung aus Prinzip, nicht aber zum erfolgreichen Gebrauch. Ein täglicher Zuckerverbrauch von 120 – 170 g (Durchschnittsverbrauch in Deutschland) markiert das andere Extrem. Hier entgleitet der Zuckerkonsum in die Wohlstandssucht.

Ein guter Gebrauch von Süße in möglichst hochwertiger Form, z. B. als Honig, Rohzucker, Trockenfrüchte … bewegt sich entlang der steten Frage WAS BRAUCHE ICH WIRKLICH? Das dürfte sich nur selten über die 50 g/Tag-Schwelle hinausbewegen.

 

Stress ist unser Turbo

Auch Stress ist ein sehr ursprüngliches und wichtiges Reaktionsmuster unseres Körpers, das im Wesentlichen eine  Mobilisierung von Reserven bewirkt als Anpassung an herausfordernde Lebenssituationen aller Art. Stress ist letztlich alles was Angst auslöst in uns, also sehr individuell.

Solche Herausforderungen sind nicht nur der übermächtige Feind, sondern z. B. auch Hunger, Durst, Infektionen, Gifte, Verletzungen, Überstimulation, ungeeignete Nahrung. Natürlich haben wir auch in unserem sozialen Miteinander reichlich Stressquellen. Die Anpassung an die Herausforderungen werden durch die Stresshormone vermittelt. Hierbei unterscheidet sich die Reaktion auf eine aktuelle Situation von der Anpassung an überdauernden Stress.

Stress verändert die Blutversorgung deutlich. Muskulatur, Gehirn, Herz, Lunge werden priorisiert, die Verdauung wird in der Priorität herabgestuft. Der Blutdruck steigt, das Denken wird verengt … der bekannte Tunnelblick Gestresster entsteht. Der Blutzuckerspiegel erhöht sich durch die Verknüpfung der Stresshormone mit der Insulin-Glukagon-Steuerung. Jedoch läuft die Verdauung nur noch auf Sparflamme und der Nahrungsbrei verbleibt länger im Darm. All das erlaubt ein fokussiertes kraftvolles Handeln. Dies ist der eigentliche Wert von natürlicher Angst.

Das wäre kein Problem, wenn …, ja, wenn wir in diesen Momenten diese Tatkraft auch ausleben würden und so die Stressreaktion auch vollenden würden bis zur Entspannung. Stattdessen bleibt die mobilisierte Power oft als Dauermobilisierung bestehen. Das bringt den gesamte Körper aus dem Tritt. Der Darm arbeitet dauerhaft nur noch mit halber Kraft. Der Zucker aus der Nahrung wird nur noch schlecht aufgenommen und so gelangt mehr Zucker in den Dickdarm, wo er zu Gärung führt und das Mikrobiom ungünstig verändert. Der Stoffwechsel hingegen verlangt nach mehr Zucker, was oft mehr Hunger bedeutet. Unser Geist funktioniert unter Stress zunehmend entlang unserer automatisierten Muster. Da wird dann schon mal mehr gegessen oder zu Süßigkeiten gegriffen, auch um der entspannenden Wirkung willen. Das wiederum überfordert die Verdauung zusätzlich … und das Chaos nimmt seinen Lauf.

 

Der gesamte hochsensible Körper ist reizoffener

Als Hochsensible sind wir nicht nur im Empfinden deutlich reizoffener und deshalb auch erregbarer. Der GESAMTE KÖRPER hat eine erniedrigte Reizschwelle. So verursacht die Gärung sehr schnell entzündliche Reizzustände im Darm, die auch noch sehr viel schneller unangenehm wahrgenommen werden. Das stresst nun zusätzlich. Neben den lokalen Beschwerden springt die Reaktion sehr bald über auf den gesamten Körper. Erklärbar wird das Phänomen auf der Grundlage der Silent Inflammation (subtiler Entzündungszustand im gesamten Körper) und der leichteren Erregbarkeit als Hochsensibler. Auch da sind wir Hochsensible seismografische Symptomentdecker. Wir leiden oft schon, bevor schulmedizinisch etwas festgestellt werden kann. Das ärztliche Unverständnis aktiviert dann leicht die inneren Konflikte um Unverstandensein und Nicht-ernst-genommen-werden sowie die Angst vor heimtückischen Erkrankungen. Schließlich nimmt man ja tatsächlich etwas wahr. Ein Gedankenkarussell beginnt sich zu drehen. Man kann sich als Hochsensibler also ganz wunderbar in eine Stressspirale hineinfühlen und -denken, die Beschwerden bis zur psychosomatischen Erkrankung verstärken. Zur Vertiefung kann ich Paul Watzlawik’s Anleitung zum Unglücklichsein empfehlen.

Wohlgemerkt, die Beschwerden sind berechtigt und verdienen ernstgenommen zu werden. Allein der Wust an Ängsten verdient in Frage gestellt zu werden.

 

Histamin hat eine Schlüsselrolle

Eine Schlüsselrolle hat bei Entzündungsreaktionen Histamin. Es löst die Entzündung im Körper aus und bewirkt daneben auch Unerfreuliches, darunter auch die immer wieder berichteten Blutzuckerschwankungen. Ein gereizter Darm und reichlich Zucker öffnen schließlich auch den Hefepilzen Tür und Tor. Noch mehr Entzündung … und noch mehr Blutzuckerschwankungen … nach einem kurzen Hoch nach der Mahlzeit stürzt man in das dunkle Loch der Unterzuckerung.

Je nach Konstitution enftaltet sich durch solche sich gegenseitig verstärkenden Aspekte ein ganz unterschiedliches Beschwerdebild … zum Beispiel Kreislaufschwäche, Süßhunger, Gewichtszunahme, Akne, entzündliche Hautreaktionen, Schmerzzustände aller Art, Reizdarm, psychische Beeinträchtigungen, Schlafstörungen, Fruktoseintoleranz … die Aufzählung lässt sich beliebig verlängern.

Dieser Zustand liest sich dann im Ernährungsjournal beispielsweise so: Nach dem alltäglichen Ärger ein harmloses Stück Schokolade und schon rollt eine Lawine los … auf den viel zu kurzen Genuss folgt ein Aufgekratztsein und dann bleierne Müdigkeit. Der Bauch fühlt sich wie schwanger an. Ich fühl mich viel zu dick! Trotzdem zwingt eine gefühlte innere Leere schon nach kurzer Zeit zu weiterem Essen. Doch auch davon wird der Kopf nicht klar. Selbst Kaffee hilft wenig. Nach einer schlechten Nacht weckt der nächste Morgen schließlich mit einer Migräneattacke, Übelkeit, Kurzatmigkeit und wenige Tage später juckende Ekzeme. Wieder einmal.