„Da steh ich nun, ich armer Tor, und bin so sensibel als wie zuvor“, möchte ich manchmal mit Goethe ausrufen. Auch nach Jahren konsequent glutenfreien Daseins bin ich natürlich noch glutensensibel.
Für Betroffene scheint mit der Diagnose Zöliakie oft eine Welt in Stücke zu fallen. Nie wieder Lieblingsgebäck! Nie wieder Brot und Nudeln! Das klingt wie zweimal lebenslänglich. Warum trifft so etwas eigentlich ausgerechnet mich? scheinen mich die Augen jedes Mal zu fragen.
Wie war das bei mir?
Rückblickend kann ich das heute als Glück begreifen – ich habe viel gewonnen dadurch, mir ist viel Schlimmes erspart geblieben. Es hat sich gelohnt. Das war natürlich nicht immer so. Ich hatte seit meiner Kindheit Reizdarm. Vor allem die Blähungen und Winde waren sehr unangenehm und sehr peinlich. Aber der Arzt konnte nichts finden, also wurde mein Befinden allenfalls mit abfälligen Bemerkungen kommentiert.
Als junger Koch wandte ich mich selbst dem Problem zu … und wurde selbst fündig. Akribische Ernährungstagebücher, Spürsinn und Kostversuche brachten es an den Tag. Zöliakie. Für mich war es eine unglaubliche Erleichterung, endlich fast ohne Bauchbeschwerden zu sein. Auch meine Gesundheit besserte sich, selbst der Reizdarm verschwand allmählich. Endlich gesund! Ach hätte ich das alles früher gewusst! Was wog da schon das geliebte Baguette?
In den 90ern gab es noch viele glutenfreie Produkte nicht. Das Brot schmeckte noch wie Sägespäne. Aber wozu hatte ich kochen gelernt! Ich erfand mir mein geliebtes Bernhard’s Buchweizenbrot, das Kochen mit Hülsenfrüchten und viele leckere Sachen. So habe ich mir die Welt glutenfreien Genießens entdeckt.
Die Krankheit wirft Fragen auf
Wieso eigentlich ich? Warum ausgerechnet trifft das mich als ernährungsbewussten Menschen? Was habe ich falsch gemacht? Hat das am Ende vielleicht mit psychischen Prozessen zu tun? Hier muss jeder seinen ganz eigenen Zugang finden. Für mich ist am Ende der Satz „Nein, Dein Brot esse ich nicht!“ stehen geblieben. Mehr als Mahnung, mir treu zu bleiben und achtsam zu bleiben, wie mein Tun auf Außenstehende wirkt. Essen ist schließlich etwas sehr soziales und die „glutenfreie Extratour“ brüskiert so manchen Mitmenschen. Die Balance zwischen Selbstfürsorge und Rücksicht ist nicht immer einfach. Die Zöliakie bleibt ein Lehrmeister.
Und heute?
Heute habe ich meine ganz persönlichen Antworten gefunden. Ich bin glutensensibel gesund. Auch vermisse ich selten etwas auf meinem Tisch. Ich habe Brot, Kuchen, Pasta und was ich sonst gerne mag. Inzwischen ist die glutenfreie Warenwelt kräftig gewachsen und die Produkte schmecken.
Allerdings sind nach wie vor viele Produkte aus Reis- und Maisstärke, was sich nicht vereinbaren lässt mit den Nährstoffbedürfnissen bei Zöliakie. Und die Preise sind auch unangemessen hoch. Aber wer in ein wenig Know how investiert, findet sich bald in einem Schlaraffenland glutenfreien sensiblen Genießens wieder. Das funktioniert so gut, dass ich diese Kochkunst inzwischen weitergebe an Klienten und Interessierte in meinen Kochtrainings.
Am Rande bemerkt – viele meiner Bekannten laden sich immer wieder gern zum (glutenfreien) Mitessen ein mit Antipasti, Reispfannen, Gemüsekuchen und vielleicht ein paar Rohkostpralinen oder milchfreiem Sorbet zum Nachtisch.
In diesem Sinne Guten Appetit
Euer Glutenfrei Genießer
Bernhard
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